Die Kleinspitze sind 45 Tage alt geworden

Die Kleinspitze sind 45 Tage alt geworden

Bei neugeborenen Welpen sind noch keine Hirnströme feststellbar, erst mit 3 Wochen ändert sich das EEG erheblich, aber erst mit 49-56 Tagen, andere sprechen jedoch auch schon von 40 Tagen, ist das Gehirn voll entwickelt, was heißt, dass sie erst dann eingehende Meldungen wie Hören, Riechen, Sehen und Angst vor der Tiefe verarbeiten können. Der Durchbruch der Backenzähne korreliert übrigens mit dem hauptsächlichen Abschluss der Gehirnreifung/ -entwicklung.

Das junge Gehirn ist mit einem immens großen Angebot an Nervenzellen (Neuronen) ausgestattet. Je nach Förderung und Herausforderung kommt es mehr oder weniger zu entsprechenden Verknüpfungen. Handelt es sich dabei um Bereiche, die lebenswichtig sind und damit prägende Lerneffekte ermöglichen, wird das Gelernte nicht mehr vergessen. Handelt es sich hingegen nicht um derart wichtige Lernergebnisse und werden die dabei gewonnenen Fähigkeiten nicht mehr gebraucht und damit nicht immer wieder aktualisiert, so gehen sie verloren. Denn was im Erwachsenenleben nicht gebraucht wird, wäre Ballast im Kopf, der unnötige Energie bräuchte und Speicherkapazität für wichtigere Dinge einschränken würde.

Mit Mitte der 6. LW sind Gusti, Grisu, Gizmo und Gro´ßmeister Merlin schon Auto gefahren und reagieren auf unsere Rufe und Geräusche. Auto bzw. Wohnmobil fahren haben wir bereits mit ihnen zusammen mit ihrer Mutter Vicky aufgebaut. Nunmehr fahren wir mit den Welpen mal in den herbstlichen Wald, um sie weiter an das Autofahren und auch noch an einen neuen fremden Ort zu gewöhnen.

Dabei entfernen sich die Welpen schnell immer weiter von ihrer gewohnten Wurfkiste, die einmal ihre ganze Welt bedeutete. Sie beginnen, eine vollkommen neue Welt mit unbekannten Gerüchen, Blättern, Baumstämmen, Anblicken und Geräuschen zu erforschen, und sie tun dies mit ihrer üblichen Begeisterung. Manches dieser neuen Welt birgt aber auch Überraschungen. Die Dinge sind oft nicht so, wie sie scheinen.

Die Welpen bei Wildhunden werden von ihrer Mutter auch immer wieder zu Plätzen mit neuen Herausforderungen gebracht. Finden sie sich im flachen Grasland zurecht, folgt ein Umzug an eine Stelle mit kleinen Hügeln und Gräben. Dort tappen sie z.B. in ein Erdloch und müssen sich wieder herausarbeiten. Kommen sie auch damit klar, geht es in felsiges Gebiet. Sogar gezieltes Verschleppen einzelner Welpen an einen vom Wurf entfernten Ort ist als Stresstraining zu beobachten. Man gewinnt den Eindruck, die Wildhundeltern bringen ihren Nachwuchs gezielt in Situationen, in denen die bisherigen Verhaltensstrategien der Welpen zum Scheitern verurteilt sind. Ein Gefühl von Frustration ist dabei vorprogrammiert und der Motor des Lernens wird aktiviert. Löst sich der Frust durch eine Handlung in Erleichterung auf, hat der jeweilige Welpe eine wichtige Lernerfahrung gemacht.

Die Natur hat es offenbar so eingerichtet, dass ein Wechselspiel aus Neugier, Annäherung und Vermeidung sowie aus Herausforderung, Frustration und Erleichterung das Lernen und die Verhaltensentwicklung bestimmt. Das Aufwachen in einer immer gleichen Umgebung ist unnatürlich, denn diese bietet zu wenige Möglichkeiten zur Exploration und Sozialisation. Eine solche notwendige emotionale Abhärtung ist also in reizarmen Aufzuchtstätten nicht möglich. Keine Frustrations- und Erleichterungsgefühle zu erleben bedeutet, keine Problemlösestrategien entwickeln zu können. Die Angst vor Veränderungen und neuen Situationen ist die Folge.

Wir werden deshalb in der Folgezeit immer wieder Betriebsausflüge mit Vicky und ihren Welpen in fremdes Gelände durchführen. Denn in der Gemeinschaft werden Belastungssituationen sehr viel leichter ertragen. Auch wird der angeborene Folgetrieb dadurch stark gefördert.

Umweltgewöhnung in Begleitung der Mutterhündin und uns Welpenbetreuern ist sehr wichtig für die Entwicklung des Welpen. Frühe Erfahrungen in Probleme lösen und dabei Erfolg haben, helfen dem Hund später, schneller, selbständig und stressfreier Hindernisse zu überwinden oder Probleme zu bewältigen.

Die Spielfreude des jungen Hundes treibt ihn dazu, sich im Spiel mit seiner Umwelt auseinander zu setzen, seine eigenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu trainieren und zu lernen, wie man am besten durchs Leben kommt. Der Welpe erlebt seine Umwelt noch voller Vertrauen. Darum ist es wichtig, ihn so früh wie möglich an all die schrecklichen Dinge zu gewöhnen, auf die er eines Tages in der großen weiten Welt sowieso stoßen wird.

Ohne ihn zu erschrecken gewöhnen wir ihn an alle möglichen Geräusche, vom fallenden Kochtopfdeckel bis zum Staubsauger, von der Autohupe bis zur Sirene, ebenso an optische Einflüsse und vielfältige Hindernisse.

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Eine sterile und reizarme Umgebung kann das emotionale Heranreifen eines Hundes so stark behindern, dass er niemals in seinem Leben mit irgendeiner Art von Stress umgehen kann.

Man muss ihre Umgebung immer wieder verändern, nach und nach etwas hinzufügen und etwas bekanntes wieder entfernen, um für neue Herausforderungen zu sorgen. Entscheidend ist dabei, dass durch diese Eroberung neuer Dinge das dopaminerge System im Gehirn der Welpen in Gang kommt, indem sie letztlich lustvolle Erlebnisse aus der Konfrontation mit dem ursprünglich einschüchternden Reiz gewinnen. Jede dieser Situationen bildet so ein Modell für die spätere Einstellung der Welpen gegenüber Unvorhergesehenem. Wer viele verschiedenen Objekte mit dieser positiven Erfahrung verknüpft hat, wird sich später über das Auftauchen neuer Dinge freuen, womit das psychische Immunsystem gegen Angstprobleme weiter gestärkt wird.

Welpen brauchen zudem viel Platz, denn zu wenig davon kann sozialen Stress verursachen. Sie müssen nämlich auch zur Ruhe kommen können.

Der bekannte englische Hundeexperte John Rogerson geht davon aus, dass es vor allem dann Probleme mit Fingerbeißen gibt, wenn die Welpen mit zu wenig unterschiedlichem Spielzeug aufwachsen mussten. In Ermangelung einer Alternative haben sie nämlich gelernt, ihre Spielbisse immer nur an den Geschwistern auszuleben. Mit zunehmendem Alter und wachsender Intensität des Spiels entsteht dabei leicht das Gegenteil einer funktionierenden Beißhemmung – die Welpen lernen, die Schmerzreaktion ihres Gegenübers einfach zu übergehen und weiterzuspielen.

Wurden die Welpen im Verlauf ihrer Entwicklung immer aktiver und aufmüpfiger mussten sie die Erfahrung machen, dass die Mutter oder ein älterer anderer Hund unseres Rudels (hier Kimba) sie blitzschnell am Nackenfell gepackt und auf den Rücken gedreht hatte. Sie lernen dabei auch, dass sie eine zugespitzte Situation durch die Rückenlage beenden können.

Im Rollenspiel wird auch immer wieder verlieren können gelernt. Denn Verlieren können erfordert nicht nur im Falle des Hundes eine gewisse Stärke. Es verhindert das Wachsen unnötiger Ängste und damit das Entwickeln unangemessener Aggressionsbereitschaft.

Die Welpen sollen so weit wie möglich wirklich Hund sein dürfen, die durch eigenes Tun etwas bewirken müssen/können. Schon als Saugwelpe mussten sie aus eigenem Antrieb die mütterliche Zitze finden, denn von uns wurden sie nicht angelegt.

An der Entwicklung eines sicheren Wesens ist in elementarer Weise das gefühlsmäßige Erleben beteiligt, durch eigenes Tun etwas zu bewirken und zu bewältigen. In dieser Selbstwirksamkeit liegt ein hoher Belohnungseffekt, der außerordentlich stark auf die Bildung von Selbstvertrauen und Wesenssicherheit wirkt. Damit dieser Prozess in der Praxis effizient zustande kommen kann, braucht es deshalb bereits im Welpenalter solche Lerngelegenheiten wie dem Balanceboard, das bei angemessenem Risiko gute Aussichten auf Erfolg hat und gerne als Herausforderung angenommen wird.

Wenn sich der Hund vor unsere Füße legt, handelt es sich um eine besondere Form des sozialen Kontaktes, vergleichbar mit dem Verhalten, wenn er seinen Kopf auf unser Knie oder in unseren Schoß legt. Er sucht unsere Nähe und darüber können wir uns freuen.

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